Nachdem ich im letzten Vierteljahr ja eher gechillt unterwegs war, kann man bei mir wieder von Arbeitsalltag sprechen. Die letzten Wochen waren sehr arbeitsintensiv und nach 9 Arbeitstagen am Stück mit zahlreichen Überstunden habe ich heute und morgen zum ersten Mal zwei freie Tage. (Bislang gab’s nur lose Tage.) Bei 9 Tagen mag man als Deutsche denken „Was? Das ist doch bestimmt schon an der Grenze zur Legalität!“. Nein, ich kann mich beruhigen. In Alberta darf man max. 24 Tage am Stück arbeiten.
Der Vorteil, wenn man viele Stunden schrubbt? Die Zeit vergeht wie im Flug. Schon vor über einem Monat hab ich bei Fairmont angefangen und mein Konto füllt sich wieder mit Geld. #MoneyMoney – Nice! Andererseits ist es auch an der Zeit, nochmal auszuschlafen und sich nicht 8 bis 12 Stunden am Tag körperlich zu verausgaben. Das zehrt doch ordentlich an den Kräften. So brauche ich die Off-Days dringend, um Energie-Reserven aufzuladen.
Dass der Housekeeping-Job nicht spurlos an einem vorbeigehen kann man immer wieder bei den KollegInnen sehen. Viele von ihnen tragen am rechten Handgelenk eine Bandage zur Unterstützung. Ein junges Mädel kam sogar vor Wochen mit zwei komplett geschienten Unterarmen in die Kantine. Ihr wurden 10 belastungsfreie Wochen verordnet. Und wir wären nicht in Amerika, wenn sich nicht doch eine Arbeit für sie fände, es gibt schließlich immer was zu tun. Sie verteilt jetzt Zettel. By the way: Auch Fairmont zahlt keine ‚sick days’, wenn man sich krank meldet gibt’s keine Kohle. Simple as that.
Wir tragen alle Arbeitsuniform und so kann man in der Kantine zum Beispiel leicht den Status der Leute ablesen. Sobald der Vor- und Nachname auf deinem Ansteckschildchen steht, hast du auf jeden Fall schon das Low-Entry-Level verlassen und dich auf den Weg auf die Karriereleiter gemacht. Anzug oder Kostüm? Ja, auch schon weiter oben. Keine Dienstkleidung sondern nur Namensschild? Office Worker. Kurze Hose in beige? Spa. Vorname und Housekeeping-Uniform? Tja, das bin dann wohl ich.
Auch hier im Fairmont gibt’s natürlich Grüppchen. Durch meine Trainerin Sophia, die ich nur Miss Sophie nenne, wurde ich mit der Barbados-Indien-Philippinen-Gruppe bekannt gemacht. Seitdem sitzen wir meistens im schicken Kantinen-Séparée zusammen und essen gemeinsam zu Mittag. Ich muss euch nicht lange erklären, dass ich meistens die einzige Weiße am Tisch bin, ich bin sozusagen Eminem. 😀
Marylin Monroe war da, die Queen – und Tanadia
Falls ihr mehr über die Geschichte und/oder über das Schloss generell wissen wollt, auf Wikipedia findet ihr alles Wissenswerte mit dem Schlagwort „Banff Springs“.
Wie in Kanada üblich kommen die Mitarbeitenden aus allen Teilen des Landes und der Welt. Ne Handvoll Deutsche ist auch da, u. a. auch ’ne Kölnerin, die mit mir jedoch nur Englisch spricht, auch wenn wir alleine sind *kopfschüttel*. Sie kommt auf Deutsch nicht mehr klar – She can’t get clear on German anymore, you know…
Einer von ‚meinen’ Stammtisch-Indern ist Mylon (29). Er hat mir vor ein paar Tagen erzählt, dass er vorher als Assistant Steward auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet hat. Ich meinte so aus Spaß ‚Aber hoffentlich nicht auf der Costa Concordia’. Er so ‚Doch. Zu dem Zeitpunkt des Unglücks hatte ich gerade Urlaub. Ich war insgesamt 3 Jahre auf diesem Schiff.’ Krasser Scheiß.
Im Fairmont ist auch sonst immer was los und an den Wochenenden muss ich eigentlich immer arbeiten. Hier feiern viele Hochzeitsgesellschaften, auch im Winter. Gestern hab ich eine Schneiderin im Aufzug getroffen. Sie hatte Schuhe und Tape dabei, die Braut hatte die Schuhe online bestellt und leider vergessen, sie vorher anzuprobieren. Sie passten nicht. Is ja auch nur die eigene Hochzeit, so what 😉 Es gab auch schon ’nen Bräutigam, dem eine Stunde vor der Hochzeit aufgefallen ist, dass er seinen Anzug zuhause vergessen hatte. In Banff gibt es jedoch keine Anzugläden, so kam es, dass einer der Angestellten ihm einen Anzug geliehen hat. Hier auf dem Fairmont-Berg findet sich eben immer eine Lösung.
Neben Hochzeiten finden im Conference Centre, wie der Name schon sagt, jede Menge Konferenzen statt. Bis vor kurzem lief das Keystone Symposia.
Was sonst noch so geht?! Gäste filmen witzige Filmchen, zu finden unter: youtube.com/watch?v=NWSydQDqlp0&w=560&h=315
Es gab auch Negativ-Action. So hatten wir letzte Woche in der Staff Accom einen echten Feueralarm. Morgens um 5:21 Uhr. Meine Herren. Die Ursache war harmlos und konnte mit einem Handfeuerlöscher sofort eliminiert werden und die Feuerwehr musste zum Glück auch nicht ausrücken, aber danach war an Schlaf nicht mehr zu denken.
„Turning Moments into Memories“ – Fairmont Brand Promise
Ich verbringe meine Zeit zurzeit fast ausschließlich auf dem Fairmont-Hügel und lebe, atme und denke Fairmont. Alle Mahlzeiten nehme ich in der Kantine ein, die Wäsche mache ich im Nebengebäude und in der Freizeit suche ich nach Leuten, mit denen ich im Conference Centre bowlen kann. Das ist eine interessante Erfahrung, gerade weil ich ja weiß, dass es nur für wenige Monate so sein wird und ich danach wieder mein Leben genießen werde. Es gibt jedoch sehr viele Menschen hier, die schon seit Jahren so leben, Überstunden ohne Ende schieben, auf ein besseres Leben sparen, Geld an die Familie und die Kinder in der Heimat schicken. Egal ob diese Menschen aus Mexiko, Indien, Barbados, den Philippinen, Jamaica kommen. Eins haben alle gemeinsam und ich weiß das, weil ich allen diese Frage gestellt habe: Würdest du, wenn die Situation in deinem Heimatland eine andere wäre, wieder zurückgehen? Alle haben ohne Zögern mit ‚Ja, sofort!’ geantwortet.
Was ich damit sagen will? Diese Welt geht uns alle an. Und die Erste sollte ein Interesse daran haben, dass es auch den Menschen in der Zweiten und Dritten Welt gut geht. Dass sie sich aus eigener Kraft ein menschenwürdiges Leben in ihrer Heimat aufbauen können, und nicht durch Korruption, Klassengesellschaft oder Hungerlohn daran gehindert werden.
PS. Man denkt ja immer, dass es in anderen Unternehmen zwangsläufig besser läuft. Dem ist nicht so. Bevor ich mich aber darüber auslassen kann, muss ich mir entweder ein neues Pseudonym zulegen oder mich als Günter Wallraf verkleiden. Oder aber ich vertag das Ganze einfach auf einen späteren Zeitpunkt.
Da fehlt doch ein Foto mit der Uniform!
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Ja, is ja schon gut. Hab’s soeben in die Galerie einfügt, please have a look. 😉
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Tanja, my dear!
Als sporadischer Leser deines Blogs endlich ein paar Zeilen: „ich lebe, atme und denke Fairmont“ schreibst du. Ist das, was Amerika ausmacht? Ich musste bei diesen Zeilen erst Google Maps bemühen und lernen, dass es eine Stadt im Nirgendwo gibt, die BANFF heisst und dass du offenbar in einem Konferenzhotel arbeitest. Deutsche Chromarmaturen, deutsche Edelkeramik auf dem Tisch, du lernst die hohe Kunst des Handtuch-Origami, wirst aber innerlich zur Revoluzzerin für die Geknechteten der Welt. Vergiss nie: du hast sehr wohl einen Nachnamen, Frau Becherovka, auch ohne Housekeeping-Uniform mit Namensschild bist du ein Mensch.
Irgendwie glaube ich, du hast dennoch eine gute Zeit. Keep happy!
My best regards, Ingo
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Hallo Ingo, danke für deinen Kommentar. Gleich vorweg, ja, ich habe trotz Arbeit eine gute Zeit 😉 und wenn man bei Fairmont arbeitet, in der Fairmont Staff Housing wohnt und sozusagen jede Mahlzeit in der Fairmont Cantina zu sich nimmt, fühlt man sich manchmal selbst wie ein Fairmont. Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?! Take care buddy
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